Das Stadtviertel Santo Spirito befindet sich am anderen Ufer des Arnos, eben im Diladdarno, zwischen San Niccolò und San Frediano, wird als Rive Gauche von Florenz bezeichnet und ist das bekannteste der drei. In diesem Florentiner Stadtteil würden gerne alle Florentiner unter 40 leben, weil es geschäftig, voll mit Menschen, Aktivitäten, Farben und Geschichten ist. Oft wird es auch von Fremden bevorzugt, die Florenz fernab von den meistbegangenen Touristenpfaden suchen.
Jetzt verrate ich Ihnen ein Geheimnis. Das Wort Oltrarno (im Deutschen: jenseits des Arno) wird von den echten Florentinern nie benutzt. Ja natürlich, wenn Sie danach fragen, wird man Ihnen sicher sagen, wie Sie dorthin gelangen, aber man beißt sich auf die Zunge, um Sie nicht darauf hinzuweisen, dass es eigentlich Diladdarno sein sollte.
Ich selbst erfuhr es auch erst nach einigen Jahren in Florenz. Eines Vormittags, als ich vor anhaltendem Regen in eine kleine Bar einer Seitenstraße flüchtete, plauderte ich bei einem heißen Cappuccino mit dem Barmann und erzählte ihm, dass ich endgültig in diese Stadt gezogen sei. An einem gewissen Punkt unterbrach er mich mit den Worten: „Jetzt aber genug mit diesem Oltrarno, wenn du dich wirklich eine echte Florentinerin nennen willst, musst du den richtigen Ausdruck dafür verwenden, nämlich Diladdarno!“
Alles dreht sich um Piazza Santo Spirito. Sie trägt den Namen der Kirche und ist das letzte Projekt von Filippo Brunelleschi. Die Fassade der Kirche ist das Wahrzeichen des Stadtteils und überall abgebildet, von Kissen bis hin zu Schmuckstücken.
Den Platz säumen Bars, Pizzerien und Trattorien, die früher den im Stadtteil lebenden Florentinern als Treffpunkt dienten. In seiner Mitte stehen Bäume und Bänke, wo Kinder spielen und sich Jugendliche treffen. Er erinnert etwas an einen Campiello, diesen typisch venezianischen Platz.
Jetzt ist es ein kosmopolitisches, farbenfrohes und kreatives Viertel, das mit Zähnen und Klauen seine kleinen Oasen an Qualität und Authentizität verteidigt, die noch nach den guten alten Zeiten duften: die Backstube, die das Brot noch wie früher macht und sich nicht der Mode beugt; der Buchhändler, der gebrauchte Bücher verkauft und sich immer Zeit nimmt, mit allen Kunden nicht nur über Literatur, sondern auch über das Leben zu sprechen; die Trattoria, die in der Mittagpause mit der ihr seit jeher eigenen Qualität und Freundlichkeit zu erschwinglichen Preisen Gerichte serviert.
Es ist ein Stadtviertel im Wandel, voller Widersprüche und mit dem Montmartre vor 20 oder 30 Jahren vergleichbar.
Volksgeist, Kunst und Chic an einem Ort. Es ist auch der Stadtteil von Palazzo Pitti, vielen anderen herrschaftlichen Palästen aus dem 16. und 17. Jh., vielen schmalen, dunklen und feuchten Häusern mit winzigen Eingängen und staubigen Rahmenwerkstätten, die es seit Generationen gibt.
Ich liebe Santo Spirito.
Ich liebe seine schmalen Gassen, sie im Winter zu begehen und mir die Schaufenster anzusehen, während ich meine eisigen Hände anhauche.
Ich liebe es auch im Sommer, wenn ich mich früh am Morgen zur Arbeit begebe und dort einen warmen Cappuccino trinke.
Ich liebe seinen Volksgeist, wo er noch anzutreffen ist.
Ich liebe seine Handwerker und wahren Künstler wie Antonio, diesen ehemaligen Theaterkostümbildner und letzten Florentiner Hutmacher, der spektakuläre Dinge, beinahe Wunder vollbringt.
Ich liebe Santo Spirito.
An Santo Spirito grenzen die Stadtteile San Niccolò und San Frediano an.
San Niccolò liegt am Fuße des Hügels, der Florenz südlich abschließt (Piazzale Michelangelo und Forte Belvedere).
Auf den ersten Blick faszinieren die ländliche Atmosphäre und die kleinen Straßen.
Erst bei genauerem Hinsehen bemerkt man die Bars, die kleinen Restaurants und luxuriösen Handwerkerläden. Ich bin gern dort und durchquere den Stadtteil oft mit Touristen, die ich in den Rosengarten und dann zum Piazzale Michelangelo begleite.
Am Rand des Stadtteils ist das zur mittelalterlichen Stadtmauer gehörende Tor San Niccolò zu sehen, das zusammen mit anderen 6 Toren erhalten geblieben ist, als man zur Zeit von Firenze Capitale die Stadtmauer abriss.
Piazzale Michelangelo ist ein unverzichtbarer Augenblick. Ich sage absichtlich Augenblick und nicht Denkmal oder Sehenswürdigkeit, da es sich hier um mehrere Augenblicke handelt, die Ihnen klar machen, dass Sie wirklich in Florenz sind. Sie sehen die Stadt von oben, sie verlieren sich am Horizont, um, ohne Erfolg, die Grenzen ausfindig zu machen, Sie machen Fotos, die in den Augen und im Herzen bleiben. Und von dort können Sie, beladen mit Erwartungen und Versprechungen, Ihre Tour beginnen.
Sanfrediano hingegen ist der bekannteste Ortsteil von Diladdarno. Hier sprechen die Florentiner noch in ihrer Mundart, es gibt Läden, Geschäfte und verschiedene Aktivitäten.
Hierher kommen die anspruchsvollsten Touristen, jene die nach einem weniger touristischen Restaurant suchen und dann die Kirche Santa Maria del Carmine besuchen, in der sich die Brancacci Kapelle befindet, dieses Juwel der Renaissance-Malerei dieser Stadt.
Einige Straßen von San Frediano erinnern an die von Santo Spirito mit Handwerkerstätten, staubigen Läden von Restauratoren oder Bilderrahmern, aber alles ist echter, kleiner und weniger trendy.
Hier befindet sich auch die wunderschöne, den Abbruch der Stadtmauer überstandene Porta San Frediano, die den Diladdarno im Westen abschließt.
Wohnt man in San Frediano, so ist man ein echter Florentiner mit viel Volksgeist und vielleicht auch ein wenig unflätigem Benehmen.
Auch dieses Viertel verdient es, genossen zu werden, und gefällt mir sehr.
Sie haben aber sicher schon verstanden, dass diese Stadtteile meine Liebe sind, nicht wahr?

